Quer durch Grönland
Im Mai 2013 habe ich mit zwei Männern Grönland durchquert, auf dem „Normalweg“, von Westen nach Osten, von Kangerlussuaq nach Isortoq. Eine solche Durchquerung ist heute eigentlich nichts besonderes mehr. Bei uns wurde sie es doch. Weil wir Fehler gemacht haben, über die ich mich heute noch wundere. Warnungen vor der Monotonie des Inlandeises schlug ich in den Wind, „ich war ja schon am Nordpol“, dachte ich, und wusste doch gar nichts. Vom Nordpol nach Grönland machte ich zwei Schritte auf einmal: Kein Expeditionsleiter war mehr dabei, die Verantwortung lag bei uns. Und gleichzeitig war die Distanz viel weiter, von 110 auf 560 Kilometer, und damit die Zeit eine viel längere. Einer dieser Schritte hätte gereicht, lernte ich. In Grönland lernte ich die Dynamik in einem geschlossenen System kennen, die diejenigen kennen, die in entfernten Forschungsstationen arbeiten: Niemand kann hinaus, niemand kommt dazu. Das Ganze in einer potenziell lebensfeindlichen Umgebung, in der alle Teilnehmer aufeinander angewiesen sind. Psychologisch ist das eine der anspruchsvollsten Situationen, der man sich aussetzen kann.
In diesem Buch geht es deshalb weniger um die drei Teilnehmer, als um die Entwicklung zwischen ihnen, die so auch schon zigmal zwischen anderen Expeditionsteilnehmern stattgefunden hat. Und es scheint, als habe ich mit dieser Geschichte einen Nerv getroffen. Ich habe noch nie so viele Mails und Briefe bekommen, wie nach diesem Buch. Menschen, die noch nie im Eis waren, schreiben mir, wie sie sich in dieser Geschichte wieder finden. Wie es während einer Wanderung, eines Urlaubs, in einer Beziehung, oft auch an einer Arbeitsstelle exakt genauso abgelaufen sei. Manche sagen, ihr Büro sei wie unser Zelt. Aber sie sagen dann auch, jetzt wüssten sie, wie sie da wieder raus kommen.